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Digitale Kommunikationswege machen es leichter, sich beruflich und privat auszutauschen.
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Im Internet regelmäßig präsent zu sein, oft mehrere Social-Media-Kanäle gleichzeitig zu bedienen, Beiträge zu recherchieren und zu verfassen – das kostet viel Zeit. Warum macht es trotzdem Sinn für Landwirtinnen und Landwirte, in den sozialen Netzwerken aktiv zu werden? Das erklärt der 28-jährige Landwirt Ingmar Jaschok aus Hußweiler (Rheinland-Pfalz), der 2018 den Golden Blogger Award für den besten Heimatblog gewonnen hat und mit seinem Blog "Hofhuhn" auf 8.000 Sitzungen (Visits) im Monat kommt.

Herr Jaschok, Sie sind auf dem elterlichen Hof mit 40 Milchkühen und eigener Milchverarbeitung doch sicherlich gut mit Arbeit ausgelastet, warum trotzdem das Engagement im sozialen Netzwerk?

Jaschok: Es ist eine große Aufklärung nötig. Unser Betrieb ist als Demeter-Betrieb in einer Nische. Ich möchte Einblick geben in die tagtägliche Arbeit auf einem ökologischen Betrieb – und auch darüber, wie ich mir Landwirtschaft zukünftig ausmale. Seit einem Jahr bin ich konkret dabei, eine wirtschaftliche Haltungsform mit – aktuell 100 – Rassehühnern zu entwickeln, die meinen Ansprüchen an Tierwohl, artgerechter Haltung und Nachhaltigkeit entspricht. Darüber will ich reden. Das will ich Leuten erklären. Ich nenne das: aufmerksames Erklären. Ich habe dabei einen imaginären Leser vor Augen: Der ist interessiert, steckt aber nicht in der Materie. Den will ich informieren, aber nicht überzeugen.

Aber ich möchte auch die Art der Kommunikation verändern, die oft nicht lösungsorientiert ist. Da geht es nur darum, Frust abzuladen und nicht darum, einen wirklichen Dialog zu schaffen – selbst wenn Slogans wie "redet mit uns statt über uns" formuliert werden. Ich möchte mit den Verbrauchern im Austausch sein, ich möchte, dass die Leute meine Arbeit wertschätzen. Und das kann ich erreichen, indem ich kommuniziere.

Landwirtschaft haben Sie gelernt – in der Ausbildung, im Agrarstudium, im Praktikumsbetrieb. Wie wird man erfolgreicher Blogger?

Jaschok: Ich habe schon lange das Schreiben für mich entdeckt, während der Schulzeit für Lokalradio und -zeitung gearbeitet und auch während der Uni-Zeit in Kiel beispielsweise Gastbeiträge für Magazine geschrieben. Eine der wichtigsten Erfahrungen dabei war: Es geht weniger um geschliffenen Schreibstil als um die Geschichte, die ich rüberbringen will.

Ich bewege mich schon seit der Schulzeit in den Social Media, habe zunächst Blogs in der Ernährungs- und Agrarszene verfolgt, mitdiskutiert im Netz und mich mit einem eigenen Blog während zweier Auslandsjahre in Schweden ausgetobt. Bei einer Agentur habe ich dann später die Funktionsweise der sozialen Netzwerke näher kennengelernt und das Handwerkszeug zum Bloggen verfeinert. Zum Grundstock gehört hier: Wie baut man einen Text auf? Wie strukturiert man einen Text? Wie speckt man Informationen ab, um sie verständlich zu machen? Wie vermeidet man Schlangensätze? All diese Erfahrungen und Kenntnisse waren essenziell. Als ich vor zwei Jahren mit dem "Hofhuhn" angefangen habe, wusste ich ziemlich genau, was mich erwartet und wie viel Arbeit das ist.

Wie groß ist denn der zeitliche Aufwand konkret?

Jaschok: Auf Facebook und Instagram versuche ich jeden Tag etwas zu machen. Und beim Blog ist es sehr unterschiedlich. Ziel ist, einmal in der Woche zu posten. Das neben der Arbeit zu schaffen, ist eigentlich utopisch, weil die Inhalte über die reine Hofberichterstattung hinausgehen. Gleiches gilt für den Podcast. Also wenn ich Zeit habe, sind es 20 Stunden in der Woche, die ich in die sozialen Kanäle buttere. Wenn ich mich auf ein Begleiten der täglichen Arbeit und Betreuung von Kundenanfragen beschränke, sind es vier bis sechs Stunden in der Woche.

Welche Themen greifen Sie auf und wie sind die Reaktionen?

Jaschok: Ich habe ein großes nicht landwirtschaftliches Umfeld, das immer wieder Themen an mich heranträgt – beispielsweise Fragen zum Milchkauf oder zum Töten von Nutztieren. Wie kann es ein Bauer über‘s Herz bringen, eine Kuh zum Schlachten zu bringen? Eine solche Frage von Verbrauchern kann kein Journalist und kein Tierschützer beantworten, sondern nur der Bauer selbst. Ein anderes Beispiel ist das Thema Massentierhaltung. Als Demeter-Bauer, der keine intensive Tierhaltung betreibt, zeige ich nicht mit dem Finger auf andere, verurteile niemanden, sondern erkläre, wo ich persönlich die Grenze ziehe zwischen akzeptabler und nicht akzeptabler Tierhaltung. Das kann jeder lesen und für sich bewerten. Die Aufarbeitung des Themas hat zu sehr viel Diskussionen geführt und weite Kreise gezogen, nicht nur innerhalb der Agrarbranche oder unter Agrarbloggern.

Wer folgt Ihnen in den sozialen Netzwerken?

Jaschok: Ungefähr ein Drittel meiner Follower sind selber Landwirte oder Gärtner, die sich Know-how bei Vermarktungsstrategien und Öffentlichkeitsarbeit abgucken wollen, ein Drittel sind Naturinteressierte und ein Drittel Verbraucher ohne landwirtschaftlichen Hintergrund. Der Größte Teil meiner Follower ist Mitte 20 bis Mitte 30 Jahre alt, etwa zu gleichen Teilen männlich und weiblich und zu gleichen Teilen aus ländlichen und städtischen Gebieten. Eine bekannte Literaturbloggerin, die auch als Vegetarierin gut fand und findet, was ich mache und das nach wie vor verfolgt, hat mich am Anfang sehr stark unterstützt, sodass viele Leser aus dem Kulturbereich kommen.

Gibt es Grundvoraussetzungen, die Social-Media-Anfänger beachten müssen?

Jaschok: Respekt vor der Komplexität des Berufsfeldes Landwirtschaft, wenn man darüber schreibt. Und die Fähigkeit, aufmerksam zuzuhören und andere Meinungen anzuerkennen, sind wichtig, um das eigene Tun erklären zu können. Gleichzeitig muss man sich der möglichen Fallstricke bewusst sein. Wer als Landwirt für Verbraucher bloggt oder Social-Media-Inhalte macht, muss aus dem eigenen Mikrokosmos herauskommen und sich auch mit der Verbrauchersicht beschäftigen. Das heißt bei Veröffentlichungen: Fingerspitzengefühl beweisen, präzise formulieren, Interpretationsspielräume möglichst gering halten, kritische Themen proaktiv und selbstkritisch angehen, um die Hoheit für die Diskussion zu behalten. Social Media ist ein neues Themenfeld und ein Themenfeld, das sich sehr schnell verändert. Das heißt: Man muss offen für Neues und kritikfähig sein.

Der Meinungsaustausch wird in den sozialen Netzwerken oft mit einer großen Härte geführt? Haben Sie auch solche Erfahrungen gemacht?

Jaschok: Ja, teilweise. Meist kamen unverschämte Reaktionen oder sogenannte Troll-Kommentare aber tatsächlich aus landwirtschaftlichen Kreisen, wenn Kollegen mit meinen Beiträgen nicht einverstanden waren. Es herrscht manchmal eine gewisse Verweigerungshaltung, die eine vorurteilsfreie Diskussionskultur verhindert. Deshalb fällt es vielleicht schwer anzuerkennen, dass es Themen gibt, über die man reden müsste. Landwirte sind sehr aktiv in ihrer eigenen Blase im Internet und heizen sich da auch gegenseitig in einem Maße auf, das zu extremen Ansichten führen kann.

Eine wirklich fruchtbare Diskussion, in der man sich auch über kontroverse Inhalte austauscht, kann man nur von Angesicht zu Angesicht führen. Das Internet bietet aber die großartige Möglichkeit, in andere Perspektiven und Denkweisen hineinzuschnuppern. Ich tausche mich beispielsweise hinter den Kulissen mit zwei konventionell wirtschaftenden Landwirten aus. Bei diesem undogmatischen Austausch geht es darum, die Diskussion aktiv und im Guten anzunehmen, und auch die Sicht der anderen im eigenen Umfeld zu verbreiten, um allen eine aufgeklärte Entscheidung zu ermöglichen. Es gibt ein gemeinsames Format „Landwirtschaft in 60 Sekunden“, wo wir unterschiedliche Themen aus Sicht der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft bearbeiten.

Warum empfehlen Sie Landwirten trotz dieser Fallstricke, im Internet aktiv zu werden?

Jaschok: Das so gerne angeprangerte Unverständnis für unsere Arbeit löst sich nicht von selbst in Wohlgefallen auf. Nur wir Landwirte können echte Einblicke in die Landwirtschaft geben. Besonders bietet es sich natürlich für Betriebe mit Vermarktungsambitionen an. Da wäre ein Ignorieren der Möglichkeiten des Internets fast fahrlässig. Wäre ich ein reiner Produktionsbetrieb, würde ich es mir allerdings zwei Mal überlegen. Was ist der Vorteil, wenn man Einblicke liefert? Arbeitet man eng mit seinen Partnern in der Verarbeitung zusammen, kann es eine wirklich gute Sache werden – ein Beispiel: "Aktivstall für Schweine" featuring "Kalieber Wurstversand". Liefert man der Verarbeitungsindustrie zu, stellt sich die Frage nach dem Mehrwert. Es sollte genau überlegt sein und ernsthaft angegangen werden. Das Internet birgt aber ein riesiges Potenzial, der eigenen Stimme Gehör zu verschaffen und die persönliche Sicht in die öffentliche Diskussion einzubringen.

Das Interview führte Michaela Kuhn.

Stand: 13.06.2019

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