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Sie sind eine Winzerfamilie, ein Mehrgenerationenbetrieb und seit einem Jahr Deutschlands Agrar-Familie. Was hat es damit auf sich?

Christine Hahn: Über eine Anzeige in einer Zeitung sind wir letztes Jahr im Mai auf den bundesweiten Wettbewerb aufmerksam geworden. Wir haben uns die Teilnahmebedingungen durchgelesen und fanden, dass die Aktion ganz gut zu unserer Familie passt. Die Voraussetzungen waren: ein zukunftsorientiertes Betriebskonzept, soziales Engagement, Öffentlichkeitsarbeit, Aktivitäten im Tourismus und im Mehrgenerationenbetrieb arbeiten.

Wie viele Generationen leben und arbeiten denn auf Ihrem Hof?

Stefan Hahn: Wir sind vier Generationen: Die Älteste in der Familie ist 95 und die Jüngste ist gerade ein paar Wochen alt.

Wer hat welche Rolle im Betrieb?

Christine Hahn: Selbst Ur-Oma Lilli hat mit ihren 95 Jahren noch ihre Aufgaben wie Kartoffeln schälen, Salat putzen und Wäsche zusammenlegen. Wir Jüngeren haben so den Kopf frei für unsere Aufgaben.
Stefan Hahn: Die zweite Generation, das sind meine Eltern: Senior-Chef Klaus und seine Frau Annerose. Er macht Kundenbetreuung, Ackerwirtschaft und ist als Allrounder unverzichtbar. Auch wenn er auf die 70 zugeht – an Ruhestand ist nicht zu denken. Meine Mutter betreut Kunden und richtet alles für die Weinproben her. Sie dekoriert den Hof und sorgt für das Ambiente. Und sie kümmert sich um alle hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.

Die dritte Generation, das sind dann Sie beide?

Christine Hahn: Genau. Stefan ist als Juniorchef Kern des Betriebs – auf ihn prasselt alles ein. Seine Schwerpunkte sind der Ausbau der Weine, die Kellerwirtschaft und natürlich auch die Betreuung der Kunden.
Stefan Hahn: Christine ist Quereinsteigerin seit zehn Jahren. Sie macht Kundenbetreuung und alle Büroarbeiten, Akquise und Buchhaltung. Meine Geschwister arbeiten in anderen Berufen, wohnen aber in der Nähe. Sie und ihre Partner helfen am Wochenende und bei Festen.

Und die Kinder – helfen die auch schon mit?

Christine Hahn: Klar, wenn sie Lust haben. Sie sind ja noch jung. Wir haben drei Kinder und Stefans Bruder zwei. Sie spielen natürlich auf dem Hof und sind bei den Festen mit dabei. Tische abräumen, Gläser spülen, Kühlschränke auffüllen – diese Aufgaben erledigen die älteren schon. Ob sie später den Hof mal übernehmen, das steht noch in den Sternen.

Haben Sie auch Angestellte?

Stefan Hahn: Ja, momentan zwei. Einer ist unser Nachbar, der eine Lernbehinderung hat. Er war als Kind schon immer auf dem Hof und sein größter Wunsch war es, auf dem Weingut zu arbeiten. Wir haben ihm trotz seiner Lernbehinderung eine Ausbildung ermöglicht und ihn dann eingestellt.

Wie lief der Wettbewerb "Deutschlands Agrar-Familie" ab?

Christine Hahn: Im Mai 2019 haben wir uns beworben und sind dann von Runde zu Runde weitergekommen, bis es hieß: Ihr seid unter den besten zwölf und steht im Finale. Dann wurde es spannend. Die Voting-Phase ging los. Von Mitte August bis Mitte September 2019 konnte jeder online abstimmen. Da war dann plötzlich ganz schön viel los: Wir waren im Fernsehen, in Radiosendungen und die Presse war da. In den sozialen Netzwerken war auch viel los. Das war alles Neuland für uns und eine schöne Erfahrung.
Stefan Hahn: Aber irgendwann mussten wir auch mal sagen: Jetzt ist Schluss und uns wieder auf unsere Kernarbeit konzentrieren. Den Trauben ist es egal, ob wir im Fernsehen sind oder nicht. Wenn sie reif sind, sind sie reif und müssen gelesen werden.

Wie ging es dann mit der Online-Abstimmung weiter?

Christine Hahn: Bis zum Schluss wussten wir nicht, auf welchem Platz wir landen. Wir bekamen ein Viertel aller Stimmen und waren damit die Gewinner-Familie. Das war eine große Überraschung und eine große Ehre, weil wir ganz starke Konkurrenz hatten. Deutschlandweit gibt es viele andere Betriebe, die tolle Arbeit leisten.

Was hat sich seitdem für Ihr Weingut und den Familienbetrieb verändert?

Stefan Hahn: Wir waren vorher schon sehr eng miteinander verbunden und der Wettbewerb hat das noch verstärkt. Wir sind auch viel bekannter geworden und werden auf der Straße angesprochen. Die Bekanntheit hat sich auch im Betrieb bemerkbar gemacht. Es kommen mehr Kunden – auch von weiter weg. Und es kommen andere Landwirte, die sich unseren Betrieb ansehen wollen.

Was zeichnet Ihre Familie aus?

Christine Hahn: Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Alle schauen in die gleiche Richtung, selbst die Familienmitglieder, die nicht aktiv hier auf dem Hof arbeiten. Die Kommunikation ist gut bei uns. Wir haben eine Sitzecke im Hof eingerichtet. Da treffen wir uns wie andere in der Küche und besprechen alles. Der Ort ist sehr wichtig. Die Kinder rennen herum und wir haben oft tolle Gespräche.

Wie treffen Sie Entscheidungen für den Betrieb?

Stefan Hahn: Wir besprechen etwas, diskutieren und dann treffen wir eine klare Entscheidung, bei der alle mitgehen können. Manchmal schlafen wir auch noch mal eine Nacht drüber. Alleingänge gibt es nicht.

Inwiefern ist Ihr Weingut zukunftsorientiert und innovativ?

Christine Hahn: Wir wollen mit dem Trend gehen und unseren Kunden auch mal was Neues bieten. Dabei ist unser Leitsatz: Innovatives trifft auf Altbewährtes. Ein Beispiel ist unser ‚Schoko Vino‘. Das ist ein Schokoladenwein, den es nur bei uns gibt. Stefan hat ihn entwickelt – es ist Rotwein mit natürlichen Schokoladenaromen.
Stefan Hahn: Mit der ganzen Familie haben wir so lange probiert, bis er rund war. Wir haben Brainstormings gemacht, um einen Namen zu finden und ein Etikett zu entwerfen. Dann haben wir unseren Schoko Vino auf den Markt gebracht. Er läuft super an – ein toller gemeinsamer Erfolg.

Welche Vorteile und Herausforderungen bringt ein Mehrgenerationenhof?

Christine Hahn: Es hat viele Vorteile, wenn alle zusammen sind. Die gegenseitige Unterstützung zum Beispiel bei der Kinderbetreuung oder beim Einkaufen. Aber es ist natürlich nicht alles einfach. Manchmal will man auch mal seine Ruhe haben. Wichtig ist, dass jeder seine eigenen vier Wände hat und die Tür zumachen kann. Und wenn es Streitigkeiten gibt, dann reden wir darüber.
Stefan Hahn: Wir versuchen alle Zwiste so zu lösen, dass wir abends guten Gewissens schlafen gehen können. Streits über längere Zeit gibt’s eigentlich nicht: Wir versuchen alles schnell zu klären und dann gehts am nächsten Tag ganz normal weiter.

Zu Ihrem Arbeitsalltag gehört auch Tourismus. Was bieten Sie an?

Christine Hahn: Wir organisieren Erlebnisweinproben und zeigen den Gästen unsere Region. Wir fahren sie mit Planwagen durch die Weinberge und erklären, welcher Wein an welchem Rebstock wächst. Der Wein wird dann gleich vor Ort verkostet.

Das war bestimmt dieses Jahr aufgrund der Corona-Krise schwierig?

Christine Hahn: Ja, was die touristischen Angebote betrifft war das ein schwieriges Jahr. Jetzt dürfen wir wieder mit dem Planwagen fahren – aber nur mit wenigen Leuten und unter Einhaltung der Hygienevorschriften. Das ist dann etwas gehemmter als sonst. Aber immerhin dürfen wir wieder fahren.

Wie hat sich die Pandemie noch auf Ihren Betrieb ausgewirkt?

Stefan Hahn: Die Gastronomie ist überall sehr stark eingebrochen. Da wir viele Gastwirtschaftsbetriebe beliefern und normalerweise deutschlandweit mit unserem Wein auf Festen unterwegs sind, hatten wir schon einige Einbußen.

Der Wettbewerb war mit einem Preisgeld verbunden – was haben Sie damit gemacht?

Christine Hahn: Wir haben einen größeren Betrag an die Kinderkardiologie der Uniklinik Heidelberg gespendet. Da gibt es einen persönlichen Bezug, unsere Tochter war dort eine Zeit lang stationär. Zum anderen wollen wir einen Ausflug mit allen zusammen machen.
Stefan Hahn: Dass wirklich alle ein paar Tage zusammen wegfahren, das kommt so gut wie nie vor. Leider hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber wir holen das hoffentlich nächstes Jahr nach.

Agrar-Familie 2019 (eine Aktion des Netzwerks Agrarmedien)
Der Wettbewerb fällt dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie aus. Die Veranstalter hoffen, dass er 2021 wieder stattfinden kann.

Weingut Hahn
Der Familienbetrieb liegt in Rhein-Hessen zwischen Mainz und Worms und bietet neben dem Weinverkauf Planwagenfahrten und Weinproben an.