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Inzwischen zeigen eine Vielzahl von Kooperationen und Modellprojekten, dass das funktionieren kann. Die erarbeiteten Maßnahmen zeugen von viel Kreativität und Engagement auf beiden Seiten. Es bleibt aber eine komplexe Aufgabe, in der zunehmend die Beratung gefordert ist, gerade um Brücken zwischen den unterschiedlichen Interessen zu bauen.

Der Niedersächsische Weg

In Niedersachsen hat sich im Jahr 2020 eine Allianz aus Landwirtschaft, Naturschutz und Politik verpflichtet, konkrete Maßnahmen für einen verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz umzusetzen. Der Niedersächsische Weg ist in dieser Form bundesweit einmalig. Zu den Vertragspartnern gehören die Niedersächsische Landesregierung, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, das Landvolk Niedersachsen sowie die Naturschutzverbände BUND und NABU. Für die Ergebnisse und beschlossenen Maßnahmen haben alle Partner monatelang verhandelt und auch Zugeständnisse machen müssen. "Es waren schwierige Verhandlungen, aber auf Augenhöhe", bestätigt Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Er hat den Einigungsprozess von Anfang an mit begleitet und ist Mitglied im Spitzengremium, dem sogenannten Lenkungskreis, dem außerdem Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast, Landes-Umweltminister Olaf Lies, Spitzenvertreter des Landvolks sowie der Naturschutzorganisationen BUND und NABU angehören. "Herausgekommen ist ein Kompromiss, der konkrete Maßnahmen für die Umsetzung des landesweiten Biotopverbundes enthält. Das bedeutet mehr Mitsprache für Bauern und Naturschutz über die Betreuung der 15 ökologischen Stationen in Natura 2000-Gebieten und mehr Geld für das Beratungsangebot für Landwirte zum Biotop- und Artenschutz", so Dr. Holger Hennies, Präsident des Landvolks Niedersachsen.

"Dem Prozess vorangegangen waren bereits 2018 erste Überlegungen in den Gremien von Landvolk und Landwirtschaftskammer, wie mit den gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Biodiversität und Artenschutz umzugehen sei“, erinnert sich der Kammerpräsident. Als im Jahr 2019 das Volksbegehren "Artenvielfalt in Niedersachsen" initiiert wurde, ähnlich den erfolgreichen Volksbegehren in Bayern ("Rettet die Bienen") und in Baden-Württemberg, nahmen das die Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast und der Umweltminister Olaf Lies zum Anlass, alle Beteiligten im Januar 2020 an einen Tisch zu bringen. Hier wurde der Grundstein für den Dialog und die spätere Vereinbarung gelegt.

Durch die Corona-Pandemie waren ab März 2020 nur noch reine Online-Verhandlungen möglich. Der Präsident der Landwirtschaftskammer beschreibt die Diskussionen in der Rückschau als sehr intensiv, gerade bei den zunehmend schwierigen Themen: "Wir diskutierten über die Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes, über die Breite von Gewässerrandstreifen und darüber, welche Ausgleichszahlungen die Landwirte für ihr Engagement erhalten müssen – dazu gehören auch Ausnahmeregelungen für bestimmte Grünlandregionen mit vielen Gewässern, etwa an der Nordseeküste." Die Verhandlungen fielen in die Zeit der großen Trecker-Demonstrationen mit deutlichem Gegenwind für den Berufsstand. Die Landwirtinnen und Landwirte kritisierten, dass neben Düngeverordnung und dem Verbot von Wirkstoffen im Pflanzenschutz jetzt auch noch der Niedersächsische Weg als Regulierungsmaßnahme hinzukomme.

Es war eine gute Entscheidung, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen am Prozess zu beteiligen. Denn die landwirtschaftlichen Betriebe müssen bei der Anpassung an eine noch mehr auf Artenvielfalt ausgerichtete Wirtschaftsweise durch die Beratung unterstützt werden. Deshalb beinhaltet der Niedersächsische Weg auch, die Beratung der Landwirte für einen verbesserten Biotop- und Artenschutz in Kooperation mit Landwirtschaftskammer, anderen Beratungsträgern und dem Naturschutz aufzubauen. Ziel: eine flächendeckende Beratung bis 2025.

Gerhard Schwetje sieht die Landwirtschaftskammer für diese Aufgabe gut aufgestellt: "Wir beraten die Landwirte derzeit an über 20 Bezirks- und Außenstellen und haben dadurch ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Das macht es einfacher den Landwirten zu vermitteln, dass die Maßnahmen des Niedersächsischen Weges auch in ihrem Sinne sind. Unsere Beraterinnen und Berater werden sich dafür einsetzen, dass ein Miteinander von Naturschutz und landwirtschaftlicher Produktion für jeden Betrieb umsetzbar ist und auf Dauer umsetzbar bleibt." Die Landwirtschaftskammer wird dafür die Beratung umstrukturieren und bei der Neueinstellung von Beratungskräften stets im Blick haben, dass die Biodiversitätsberatung einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist. "Die vorhandenen Beratungskräfte werden wir freischaufeln von anderen Aufgaben", so Schwetje, „damit sie mehr Zeit für diese Beratungsaufgaben oder auch Vorträge haben."

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen setzt auch weiter auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Beratungsringen Weser-Ems. Der Kooperationsvertrag wurde in diesem Frühjahr bis Ende 2025 verlängert. Ohne eine vernetzte Beratung seien die Aufgaben in Niedersachsen nicht zu bewältigen, ist der Kammerpräsident überzeugt.

Gerhard Schwetje sieht den Niedersächsischen Weg als Chance für die Landwirte mitzugestalten und nicht nur auf geänderte politische Rahmenbedingungen zu reagieren. Aber es ist kein Selbstläufer. Der Kammerpräsident wird gerne mit seinem Spruch zitiert: „Es ist der Niedersächsische Weg und nicht das Niedersächsische Ziel.“ Die Arbeit geht also weiter mit einem ambitionierten Zeitplan. Der Lenkungskreis trifft sich monatlich. Bis 2025 sollen möglichst alle Themen bearbeitet sein.

Enthalten sind in der Vereinbarung unter anderem folgende Punkte:

  • 15 neue Ökologische Stationen in Natura 2000-Gebieten sollen eine naturschutzfachlich qualifizierte und kontinuierliche Vor-Ort-Betreuung sichern.
  • Das Programm des Landes zum Wiesenvogelschutz wird bis Ende 2021 vorgelegt.
  • Bis 2023 soll ein landesweiter Biotopverbund auf 15 Prozent der Landesfläche beziehungsweise zehn Prozent der Offenlandfläche aufgebaut werden.
  • Auf den Flächen der Gewässerrandstreifen dürfen weder Pflanzenschutzmittel noch Dünger zum Einsatz kommen.
  • Es wird ein Aktionsprogramm Insektenvielfalt aufgelegt.
  • Der ökologische Landbau soll in Niedersachsen bis 2025 auf zehn Prozent, bis 2030 auf 15 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgeweitet werden.

Mit dem Niedersächsischen Weg sichert die Politik den Landwirten zu, dass die geforderten Leistungen auch honoriert werden. Auch hier müssen noch Regelungen erarbeitet werden. Der Niedersächsische Landtag hat am 10. November 2020 einstimmig die Änderungen im Niedersächsischen Naturschutzgesetz beschlossen. 

Überbetriebliche Kooperation

Die Diskussion zur Neuausrichtung der Agrarpolitik ist in vollem Gang. Um Umwelt- und Klimaziele zu erreichen sind neue Impulse nötig. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V. ist der gemeinnützige Dachverband von derzeit 183 Landschaftspflegeorganisationen in Deutschland, die Agrar-Naturschutzmaßnahmen koordinieren, beraten und umsetzen. Viele ihrer Maßnahmen basieren auf überbetrieblichen Konzepten (ähnlich dem aktuell diskutierten „Niederländischen Modell“), in enger Kooperation mit landwirtschaftlichen Betrieben, denn bestimmte naturschutzfachliche Ziele können nur im Landschaftszusammenhang angegangen werden. 

Das "Niederländische Modell": Die niederländische Regierung hat beschlossen, dass Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) der Zweiten Säule (ELER Artikel 28) der GAP nur noch über gemeinsame Anträge in Anspruch genommen werden können. Diese Anträge werden von Zusammenschlüssen – sogenannten Collectieven – gestellt. Einzelanträge von Landwirtinnen und Landwirten sind nicht mehr möglich. Ein ähnliches Modell wird derzeit auch für die Bundesrepublik diskutiert.

Drei Beispiele aus der Praxis sollen hier stellvertretend vorgestellt werden (vgl. Online-Tagung ELER & Umwelt der Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS) am 2. und 3. März 2021):

Heckenpflege: Im Altlandkreis Annaberg (Sachsen) liegt das Arbeitsgebiet des Landschaftspflegeverbands „Mittleres Erzgebirge“ e. V. In dieser Steinrückenlandschaft befinden sich 252 Kilometer Feldhecken. Ziel ist es, in dieser 800 Jahre alten Kulturlandschaft die Heckenbestände naturschutzgerecht zu verjüngen. „Das Gebiet ist ein naturschutzfachlicher Hotspot“, erklärt Geschäftsführerin Claudia Buchau, „mit vielen Vogel-, Schmetterlings- und Laufkäferarten, darunter viele geschützte und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten.“ Seit 1993 pflegt der Landschaftspflegeverband (LPV) diese Heckenlandschaft.

Dass es Sinn macht, die Maßnahmen durch den LPV zu bündeln, wird klar, wenn man die kleinteilige Liegenschaftsstruktur sieht. In den Heckenpflegeprojekten des LPV werden seit Mai 2016 (aktuelle Förderperiode der Richtlinie Natürliches Erbe) 60 Hecken mit einer Länge von fast 19 Kilometern gepflegt. Sie gehören zu 99 Flurstücken von 95 Eigentümern und 31 Pächtern. Der Landesverband Sachsen übernimmt die Abstimmung, holt Eigentümer-Einverständnisse ein und stimmt die Maßnahmen mit den Unteren Naturschutzbehörden ab. Der LPV übernimmt die Auftragsvergabe, Einweisung sowie fachliche Begleitung der Maßnahmen und kann einheitliche Förderverfahren stellen.

Um die Landwirte für die Zusammenarbeit zu gewinnen, ist viel Öffentlichkeitsarbeit durch eine intensive fachliche und förderrechtliche Naturschutzberatung nötig. "Hemmend wirkt sich aus, dass Antrags-, Bearbeitungs-, Bewilligungs- und Abrechnungsverfahren derzeit langwierig und bürokratisch sind". bedauert Claudia Buchau. "Für unsere Arbeit wäre eine kontinuierliche Antragstellung notwendig, die nicht ständig von Umbrüchen der ‚aktuellen Förderlandschaft‘ abhängig ist." Die Geschäftsführerin würde sich außerdem wünschen, dass der LPV als Antragsteller für diese umfassenden Tätigkeiten auch angemessen honoriert würde. 

Gemeinschaftlicher Wiesenvogelschutz (GWS): Auf dieses Instrument greift in der Eider-Treene-Sorge-Niederung (Schleswig-Holstein) die Lokale Aktion Kuno e. V. zurück. Das offene Niederungsgrünland in dem Gebiet wird für den Futterbau intensiv bewirtschaftet. 6.400 Hektar gehören zum Vogelschutzgebiet. Dieses Grünland soll im Rahmen der Natura-2000-Ziele als Lebensraum für Wiesenvögel, nordische Schwäne (Zwergschwäne) und den Weißstorch erhalten werden. Der Gemeinschaftliche Wiesenvogelschutz sieht vor, dass Landwirtinnen und Landwirte in Zusammenarbeit mit Naturschützenden ihre Bewirtschaftung an das Brutgeschäft der Wiesenvögel anpassen, um direkte Verluste durch die Bearbeitung und Mahd zu vermeiden. Die Landwirtinnen und Landwirte erhalten dafür eine finanzielle Honorierung.

"Das Programm ist sehr regional geprägt", erklärt Martina Bode von der Lokalen Aktion Kuno, "und ist sehr flexibel." Die Landwirtinnen und Landwirte binden sich jedes Jahr neu, also nur für die Dauer der Besiedlung und auch nur auf den Flächen, mit aktuellen Wiesenvogelvorkommen. Sogenannte Gebietsbetreuer (ehemalige Landwirtinnen und Landwirte, Jägerinnen und Jäger) besprechen die Bewirtschaftungseinschränkungen mit den in der Landwirtschaft Tätigen. Der Erfolg beruht nach Ansicht von Martina Bode auch darauf, dass der Kontakt zu den Landwirtinnen und Landwirten sehr eng ist, und alles unbürokratisch per Handschlag geregelt wird. Kuno koordiniert die praktische Umsetzung, hat den Überblick über die Wiesenvogelfamilien und beantragt die Ausgleichzahlungen beim Land und gibt diese an die teilnehmenden Betriebe weiter.

Jährlich nehmen etwa 90 Landwirtinnen und Landwirte an dem Programm teil, dadurch können ungefähr 400 Wiesenvogelgelege beziehungsweise -familien geschützt werden. "Wir sehen das Programm auch als wichtigen Motor für weitere Naturschutzmaßnahmen in der Region, weil es so niederschwellig ist." Um die Landwirte und Programme vor Ort betreuen zu können, sei eine ausreichende Personaldecke nötig, fordert Martina Bode, aber auch eine Kontinuität in der Betreuung, gemeint ist: gleiches Personal und nicht ständig neue Ausschreibungen.

Grünlandpflege: Artenreiches Grünland ist im Unterallgäu nur noch verstreut zu finden. Das Gemeinschaftswerk "Wiesen der Vielfalt" des Landschaftspflegeverbandes Unterallgäu e.V. beinhaltet durch die Bündelung der Flächen Elemente des "Niederländischen Modells". Der LPV übernimmt für diese Einzelflächen die volle finanzielle Verantwortung und organisiert eine professionelle biodiversitätsgesteuerte Betreuung. Der auf diese Weise gemanagte überbetriebliche Flächenpool des LPV enthält derzeit 165 Hektar mesophiles Grünland im Südwesten Bayerns. Dabei handelt es sich vorrangig um öffentliche Flächen - oft mit einer Vergangenheit als Ausgleichs- und Ersatzfläche, Flächen in Schutzgebieten oder solche mit hohen Auflagen oder Flächen, die aus finanziellen Gründen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung im gewinnorientierten Privatbetrieb uninteressant sind.

Bei der überbetrieblichen Pflege wird auf das Know-how der Landwirtinnen und Landwirte vor Ort zurückgegriffen. Etwa 25 Landwirte pflegen diesen Flächenpool. Der LPV trägt das Risiko, bezahlt faire Entgelte nach dem tatsächlichen Stundenaufwand und beantragt für diese Flächen selbst die Direktzahlungen. "Dadurch ist die Motivation für alle Beteiligten hoch", betont Geschäftsführer Jens Franke. Er gibt aber auch zu bedenken, dass eine Vielzahl der Arten im Grünland durch Vertragsnaturschutz und eine extensive Bewirtschaftung nicht zurückkommen werden. Ein artenreiches Grünland mit über 50 Arten sei nur zu erzielen, wenn gezielt aktiv verlorengegangene Arten eingebracht werden. Auch Jens Franke fordert eine angemessene finanzielle Unterstützung – sie sollte mehr sein als nur eine Entschädigung.

Durch die derzeit räumlich vorgegebenen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) fehlt für den Naturschutz und die Landwirtschaft oft der Spielraum, sowohl auf der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche als auch betriebsindividuell flexibel zu agieren. Dazu kommt, dass die von den landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführten Maßnahmen nicht immer fair honoriert werden. Der DVL hat deshalb das Konzept der "Gemeinwohlprämie" (GWP) entwickelt. Es handelt sich um ein punktebasiertes Bewertungs- und Honorierungskonzept für umwelt- und klimaförderliche Bewirtschaftungsmaßnahmen. Dabei wird der landwirtschaftliche Betrieb für die konkreten Wirkungen dieser Maßnahmen entlohnt und nicht mehr pauschal, entsprechend dem Leitbild "öffentliches Geld für öffentliche Leistungen". Bei allen Akteuren, die sich intensiv in Kooperationen und Modellprojekten engagieren ist es bereits jetzt so, dass Landwirtinnen und Landwirte selbst entscheiden, auf welcher Fläche sie die jeweiligen Maßnahmen umsetzen.

Das F.R.A.N.Z.-Projekt

F.R.A.N.Z. (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) ist ein auf zehn Jahre (bis 2026) angelegtes Dialog- und Demonstrationsprojekt. Naturschützerinnen und Naturschützer sowie Landwirtinnen und Landwirte erproben gemeinsam auf zehn landwirtschaftlichen Demonstrationsbetrieben Maßnahmen, die dem Naturschutz dienen und gleichzeitig praxistauglich und wirtschaftlich tragfähig sind. Projektleitung sind die Umweltstiftung Michael Otto und der Deutschen Bauernverband (DBV). Die ökologische und sozio-ökonomische Begleitforschung ist sehr umfangreich. Wissenschaftlich begleitet wird F.R.A.N.Z. durch die Thünen-Institute für Ländliche Räume, Betriebswirtschaft und Biodiversität sowie die Universität Göttingen und das Michael-Otto-Institut im NABU. Das Projekt wird von der Landwirtschaftlichen Rentenbank (mit besonderer Unterstützung des BMEL und der BLE) und durch das Bundesamt für Naturschutz (mit Mitteln des BMU) gefördert.

Jeder Demonstrationsbetrieb erprobt mehrere Maßnahmen (auch neue Maßnahmen) auf etwa fünf bis zehn Prozent seiner Betriebsfläche. Beraten und betreut werden die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter dabei in den Projektregionen durch die jeweiligen Landesbauernverbände und deren Kulturlandschaftsstiftungen. Eine fachkundige individuelle Beratung und ein Dialog mit dem Betriebsleitenden auf Augenhöhe sind wichtig für den Erfolg der Maßnahmen vor Ort (s. Praxisbeispiele).

Praxisbeispiele F.R.A.N.Z.:


Hohenlohekreis (Baden-Württemberg)

Betriebsdaten: Ackerbaubetrieb, 190 Hektar, Kulturen: Weizen, Gerste, Triticale, Mais, Erbsen, Zuckerrüben, Schweinemast mit Vermarktung über eine Metzgerei

Lisa Diehl von der Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz betreut und berät den Betrieb aus Kupferzell. Auch sie bestätigt, dass ein gutes Beratungskonzept wichtig ist, um mehr Naturschutz in der Landwirtschaft zu verankern. „Bei unserer gemeinsamen Maßnahmenplanung fließen immer auch die Ideen des Betriebsleiters mit ein.“ Der Betrieb ist seit 2017 im F.R.A.N.Z.-Projekt dabei und setzt aktuell sieben verschiedene Maßnahmen auf rund acht Prozent der Betriebsfläche um. „Man merkt, dass es ein Entwicklungsprozess ist“, bestätigt die Beraterin. „Der Landwirt hat vorsichtig mit einfach umzusetzenden Maßnahmen begonnen, auch weil er unsicher war, wie sich die Maßnahmen entwickeln. Später wurden sie dann komplexer.“ Auch weil ökologische Erfolge sichtbar waren.

Stolz ist Lisa Diehl darauf, dass Betriebsleiter Jürgen Maurer im Herbst vergangenen Jahres selbst die Initiative ergriff und die Schwarzbrache als Maßnahme vorschlug. "Das ist ein großer Erfolg", sagt sie und lächelt. Schwarzbrache fördert Ackerwildkräuter. Die eher lichten Bestände sind nahrungs- und Rückzugsort für Vögel und bieten auch Sandflächen für Bodenbrüter. Nach Ansicht der Beraterin muss schon bei der Ausbildung und im Studium die Basis für den Dialog zwischen Naturschutz und Landwirtschaft gelegt werden: "Noch fehlt es auf beiden Seiten an Wissen und Sensibilität füreinander."


Lüneburger Heide (Niedersachsen)

Betriebsdaten: Ackerbaubetrieb, 200 Hektar, diverse Kulturen (u.a. Kartoffeln, Zuckerrüben), maximal 40 Bodenpunkte, Legehennen in Mobilställen, Direktvermarktung

Der Betrieb aus Lüneburg ist bereits im vierten F.R.A.N.Z.-Projektjahr dabei. "Der Betriebsleiter Jochen Hartmann hat sich in dieser Zeit ein immenses Wissen angeeignet", bestätigt Björn Rohloff von der Stiftung Kulturlandpflege Niedersachsen. Er berät den Betrieb bei der Auswahl und Planung der F.R.A.N.Z.-Maßnahmen sowie bei der anschließenden Pflege der Maßnahmenflächen. "Der Landwirt hat ein hohes Interesse daran zu sehen, wie etwas wirkt", so der Berater. "Ich habe den Eindruck, er ist genauso naturbegeistert wie ich."

Sichtbare Erfolge sind etwa die Zunahme von Feldlerchen- und Rebhuhn-Beständen. Über den Betrieb wurde bereits mehrfach im Fernsehen oder in überregionalen Zeitungen berichtet. Die große mediale Präsenz wirkt sich auch positiv auf die Direktvermarktung des Betriebes aus. "Für viele – sogar aus dem Hamburger Umland – ist es ein Grund auf dem Hof einzukaufen", hat Björn Rohloff beobachtet. Derzeit setzt der Betrieb neun verschiedene Maßnahmen auf rund elf Prozent der Betriebsfläche um. Ganz neu ist die Maßnahme "Oberbodenabtrag". Hierbei wurden an einem Wegrand, der im Besitz des Landwirts ist, 15 bis 20 Zentimeter des Oberbodens abgeschoben, bis gelber Sand anstand. Durch das nährstoffarme Substrat können sich besondere Pflanzengesellschaften bilden, die sonst nicht konkurrenzfähig wären. Björn Rohloff hofft, dass die Erkenntnisse aus den F.R.A.N.Z.-Maßnahmen Impulse in die Politik geben und in der nächsten GAP-Förderperiode in die Agrarumweltprogramme einfließen.


Kölner Bucht (Nordrhein-Westfalen)

Betriebsdaten: Ackerbaubetrieb, 400 Hektar, breit aufgestellt in den Kulturen (u.a. Kartoffeln, Braugerste, Raps), Hochertragsregion, teilweise regionale Vermarktung der Kartoffeln

Auf dem Betrieb in Frechen bei Köln werden derzeit sechs verschiedene Maßnahmen auf sechs Prozent der Betriebsfläche erprobt. Dr. Heiko Schmied von der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft ist als Betriebsberater der Ansprechpartner für den Betriebsleiter. Zusammen mit seiner Kollegin Nadine Becker übernehmen sie die komplette Koordination der Maßnahmen, auch zur Begleitforschung und achten auf die Umsetzungstreue. Der Betrieb von Gernot Lindemann-Berk ist erst seit drei Jahren Teil des F.R.A.N.Z.-Projektes. "Der Landwirt ist sich seiner Verantwortung bewusst und kann gleichzeitig die künftige Förderpolitik mitgestalten", beschreibt Dr. Schmied die Motivation des Betriebsleiters.

Der Berater zieht bereits eine positive Bilanz: "Es ist kein Widerspruch, Maßnahmen zum Artenschutz in einen hochprofitablen konventionell wirtschaftenden Betrieb zu integrieren." Wichtig sei eine Beratung auf Augenhöhe. Dr. Heiko Schmied gibt aber zu bedenken, dass bei Betrieben in solchen Gunststandorten der Naturschutz mehr kostet. "Diese Betriebe, mit hoher Bodenpunktzahl und entsprechenden Erträgen kalkulieren anders." Am Ende muss es sich auch für Betriebsleiter Lindemann-Berk rechnen. Erforderliche Maßnahmen dürfen nicht allein auf Kosten der Landwirte gehen. "Landwirte sollen mit Biodiversität Geld verdienen können", so Dr. Schmied.