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Rund 200 Teilnehmende aus 20 Ländern kamen bei der Tagung der Internationalen Akademie für ländliche Beratung (IALB) in der galizischen Stadt Lugo rund 80 Kilometer östlich von Santiago de Compostela zusammen. Sie erarbeiteten gemeinsam Ansätze unter dem Motto: "Der Weg des Wissens- und Innovationstransfers durch Beratung zu einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums". Vor allem für die Umsetzung innovativer Ideen in der Landwirtschaft ist ein reger Wissensaustausch und gute Zusammenarbeit vieler Handelnder im ländlichen Raum von größter Bedeutung.

Vernetzung unterstützen

Das Wissens- und Informationssystem AKIS (Agricultural Knowledge and Innovation Systems) kann hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten. Dort wird das Wissen um die landwirtschaftliche Produktion, die Erhaltung der Lebensgrundlagen und die Pflege der Kulturlandschaft erarbeitet und kommuniziert. Landwirtschaftliche Wissenssysteme bestehen im Wesentlichen aus den Systembereichen Bildung, Beratung, Forschung sowie landwirtschaftliche Praxis und können weitere Komponenten umfassen.

Die Vernetzung verschiedenster Akteure zur Entwicklung des ländlichen Raumes ist mit vielen Herausforderungen verbunden. Hierbei ist besonders die Rolle der Beratungsdienste zu erwähnen. Im Rahmen von Workshops wurden unterschiedliche Möglichkeiten diskutiert und Handlungsempfehlungen für die Zukunft abgeleitet.

Vor allem der Austausch zwischen Beraterinnen und Beratern ist ein zentrales Element jeder IALB-Jahrestagung. So wurden die AKIS-Systeme einiger EU-Mitgliedstaaten (zum Beispiel Irland, Spanien, Frankreich) vorgestellt. Die Referenten beleuchteten die Aktivitäten, die den erfolgreichen Informationsfluss zwischen den AKIS-Playern erleichtern. Im Erfahrungs- und Ideenaustausch ging es beispielsweise um Möglichkeiten, wie Forschung und Praxis miteinander verbunden werden können, um die Verbreitung von Innovationen zu erleichtern und den Informationsaustausch zwischen den AKIS-Akteuren zu verbessern.

Unter der Frage "Wie etabliere ich Innovationsberatung in meiner Region?" wurde einführend das Beispiel der InnoTour Bayern (s. B&B Agrar Online-Beitrag 25.05.2022 sowie 25.11.2021) präsentiert. Gleichzeitig wurden Begriffe der Innovationsberatung geklärt. Anschließend erarbeiteten die Workshopteilnehmer Strategieansätze für die Einführung und Etablierung von Innovationsberatungskonzepten in ihrer jeweiligen Region.

Um auf die aktuellen und zukünftigen Anforderungen in der Landwirtschaft zu reagieren, setzen Beratungsdienste – auch veranlasst durch die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU – vermehrt auf Innovationsberatung, Vernetzung, das Multi-Akteurs-Prinzip, Transdisziplinarität, Wissensaustausch und Co-Kreation im AKIS.

IALB-Tagung 2023

Gastgeber der 62. IALB-(EUFRAS-SEASN-)Tagung wird im kommenden Jahr Sachsen sein: Die internationalen Beratungskräfte sind vom 10. bis 14. September 2023 nach Dresden eingeladen, um sich über die Rolle von Bildung und Beratung im Transformationsprozess der Landwirtschaft im Kontext von Klimawandel, Ernährungssicherung und gesellschaftlichen Anforderungen auszutauschen.

Qualifizierungsangebote

Darüber hinaus wurde diskutiert, wie sich Kompetenz und Erfolg in der Biodiversitätsberatung erreichen lassen und Landwirtinnen und Landwirte für das Thema motiviert werden können. Um die Anforderungen an eine die Biodiversität erhaltende Landwirtschaft zu erfüllen, sind nach Auffassung der Teilnehmenden folgende Maßnahmen sinnvoll:

  • Information und Bildung,
  • regional angepasste Beratungspakete,
  • ineinandergreifende Beratungs- und Vernetzungsangebote und (finanzielle) Anreize sowie
  • die Schaffung eines Demonstrations-Betriebe Netzwerks.

Durch die Etablierung eines EU-weit gültigen, zertifizierten Aus- und Weiterbildungsangebots, welches fachlich und methodisch fundierte Qualifikationen garantiert, können Beratungskräfte entsprechend gestärkt werden. Bereits fest etabliert ist dabei das Bildungsangebot CECRA (Certificate for European Consultants in Rural Areas) der IALB. Damit können Beratungskompetenzen in einem europäischen Netzwerk entwickelt werden.

Im FAIRshare Workshop wurden digitale Werkzeuge für eine nachhaltige Landwirtschaft gesammelt, gute Praktiken bei der Entwicklung und im Einsatz herausgearbeitet sowie künftige Entwicklungen antizipiert. Auch wurde festgestellt, dass die Trends eindeutig in Richtung Big Data, GIS, Plattformen und hybride Beratungsangebote gehen. Gesammelte Daten, ob von Satelliten, Sensoren oder durch Menschen erfasste, stehen in immer größerer Menge zur Verfügung. Die Nutzung dieser Daten und die damit verbundenen Möglichkeiten auch im Hinblick auf die Beratung bieten noch viel Potenzial. Es wird nach Auffassung der Tagungsteilnehmenden eine Gratwanderung sein, in der Beratung ausreichend "digital" zu agieren und gleichzeitig niemanden zurückzulassen.

Neben fachlicher Expertise seien auch Lösungsorientierung und Konfliktmanagement unverzichtbare Kompetenzen von Beratungskräften, so ein Ergebnis der Tagung. Vor allem in schwierigen Beratungssituationen mit einem hohen Maß an Emotionen sei das Wissen um Methoden zur Konfliktdeeskalation wertvoll.

Um neue Kundenbedürfnisse, gesellschaftliche Anforderungen und politische Entwicklungen besser zu antizipieren, rücken Themen wie Organisationsentwicklung und Management künftig stärker in den Vordergrund. So wurde im Rahmen der Tagung ein neuer europäischen Zertifikatslehrgang "Management in ländlichen Beratungsorganisationen (MiB)" vorgestellt. Die schweizerische landwirtschaftliche Beratungszentrale AGRIDEA und die Entra-Gruppe bieten diese Qualifizierung in Zusammenarbeit mit der IALB ab März 2023 wieder an, damit Führungskräfte sich in vier Weiterbildungsmodulen austauschen, neue Erkenntnisse erlangen und für den eigenen Arbeitsalltag gestärkt werden. Dabei werden zum Beispiel folgende Themen bearbeitet:

  • Führen von Beratungsorganisationen,
  • Strategieentwicklung und Change-Management,
  • Leistungsportfolio und Organisation der Zukunft,
  • Konfliktmanagement in und zwischen Teams,
  • Arbeitgeberattraktivität und Personalentwicklung.

Fünf Fachexkursionen

Zu den Highlights der IALB-Tagung gehörten die fünf Fachexkursionen in verschiedene Regionen des Gastgeberlandes Spanien. Die vorgestellten Projekte führten zu einem regen Austausch mit den Projektverantwortlichen und auch untereinander. Eine Gruppe machte sich auf in die Region Ribeira Sacra im Süden der Provinz Lugo, um Weinbau in extrem steilen Lagen kennenzulernen. Dazu führte der Weg auf dem Fluss Sil in eine Schlucht, umrahmt von steilen Weinbergen, die bis zu 500 Meter hoch aufragen. Die exzellente Qualität der Weine liegt an der Besonderheit der Hänge: bis zu 80 Prozent Neigung, Ausrichtung nach unterschiedlichen Himmelsrichtungen, wechselndes Mikroklima, je nach Höhenlage und Boden aus Schiefer und Granit. Die steilen Hänge lassen kaum Mechanisierung zu, einzig Schienen erleichtern punktuell den Transport. Teilweise können die Berge nur vom Boot aus erreicht, gepflegt und geerntet werden. Die Arbeit ist somit sehr anstrengend und rechtfertigt den höheren Preis.

Nach der Verkostung der Weine wurde das Modelldorf Trastcastro besichtigt. Hierbei handelt es sich um eine Initiative, um der Landflucht entgegenzuwirken. Verlassene und verwilderte Bereiche werden wieder gepflegt, Wege angelegt, Schutzzäune für Waldbrände errichtet. Eine Infrastruktur für die Viehhaltung durch Futterraufen, Tränken, Sortier- und Sammelpunkte wurde errichtet. Die Abwanderungsproblematik aus den ländlichen Regionen Galiziens wurde auch bei einer anderen Exkursion, die in das Biosphärenreservat Marinas führte, bewusst. Bereits 2008 startete die Entwicklung der Region Marinas-Betanzos im Rahmen von LEADER, einem Maßnahmenprogramm der EU. Die Aktionsgruppe machte sich zum Ziel, die von Abwanderung betroffene Region aufzubauen. Darüber hinaus ging es um die Verbesserung der Lebensqualität der lokalen Bevölkerung, den Natur- und Umweltschutz und den sozialen Zusammenhalt. 2013 wurde die Region zum UNESCO Biosphärenreservat erhoben.

Die besuchten Betriebe, ein kleiner Gemüsebaubetrieb, der sich gerade im Aufbau befindet und sich zum Ziel gesetzt hat, nur regional zu vermarkten, die Molkerei Cagiao, die einen rund 70 Hektar großen Betrieb bewirtschaftet und die Milch von rund 90 eigenen Kühen zu regionalen Spezialitäten verarbeitet, und auch die Bio-Teeproduzenten des Betriebes Orballo sind täglich bemüht, durch Spezialisierung ein adäquates Einkommen zu erwirtschaften. Sie wollen den Beweis antreten, dass durch Engagement und Einfallsreichtum auch der ländliche Raum lebenswert gestaltet werden kann.

In Terra Cha, dem Hotspot der spanischen Milcherzeugung, wurden weitere interessante Betriebe, darunter eine neu erbaute Lehr- und Versuchsanstalt der Universität Santiago de Compostela, ein Rindermast- und Fersenaufzuchtbetrieb sowie ein Milchviehbetrieb und eine Molkerei mit eigenem Forschungs- und Entwicklungsteam, die exzellente Qualität in die ganze Welt exportiert, besucht.

Den letzten Tag der 61. IALB Tagung rundete neben der Vorstellung von Fallbeispielen gelungener Innovation durch Beratung die bereits zur Tradition gewordene Poster-Ausstellung ab. Dabei wurden zukunftsweisende Forschungs- und Entwicklungsprojekte aus unterschiedlichen Ländern präsentiert.